Antisemit Roger Waters darf nicht ungestört trällern! – Gegenprotest der jüdischen Gemeinde unterstützen!

Am 28. Mai soll der antisemitische Sänger Roger Waters in der Festhalle in Frankfurt am Main auftreten. Nachdem die Stadt Frankfurt versuchte, die Show des Sängers zu unterbinden, klagte Waters gegen den Beschluss, sein Konzert abzusagen und bekam kürzlich vor dem Frankfurter Verwaltungsgericht grünes Licht für seinen Auftritt. Die Stadt Frankfurt sowie das Land Hessen verlautbarten jüngst gegen diesen Gerichtsbeschluss keinen Widerspruch einzulegen. Das veurteilen wir.
Der BDS-Anhänger und beinharte Antisemit soll somit in Frankfurt eine Bühne erhalten – ausgerechnet an dem Ort, an dem vom 9. auf den 10. November 1938 über 3.000 jüdische Männer „gesammelt”, misshandelt und schließlich deportiert wurden.

Es macht uns wütend, dass das Gericht die bei Waters ins Bühnenbild integrierte NS-„Ästehtik“ als künstlerische Freiheit wertet. Dazu gehören dann wohl auch die bei Waters Konzerten durchs Publikum gleitenden Ballons in Schweineform, die neben Logos von bekannten Auto- und Erdölfirmen auch schon mit Davidsternen bedruckt waren. Der Davidsstern ist ein Symbol, das nicht nur für den Staat Israel, sondern auch für das Judentum steht. Ihn auf einem Schweinekopf abzudrucken ist eindeutig antisemitisch. Die damit gemeinte „Judensau“ stellt eine seit dem Mittelalter bekannte Verhöhnung und Entmenschlichung gegenüber Jüdinnen*Juden dar, die sich über den Nationalsozialismus bis heute fortsetzt.

Waters ist ein Antisemit, auch weil er regelmäßig mitteilt, sich von der jüdischen Lobby in der Musikbranche bedroht zu fühlen, da von ihr eine besondere Macht ausgehe. Zu allem Übel relativiert Roger Waters den Holocaust, indem er bereits mehrfach Geschehnisse in Israel mit den Taten durch NS-Deutschland verglich.

Wir werden es nicht hinnehmen, dass das Frankfurter Verwaltungsgericht zur Beurteilung kommt, Roger Waters als einen harmlosen Künstler anzusehen, dessen „Kreativität“ nicht angetastet werden sollte. Stattdessen stellen wir uns dem entschlossen entgegen und rufen dazu auf, diesem Antisemiten nicht die Bühne zu überlassen!

Vertraut nicht auf solche geschichtsvergessenen Gerichtsbeschlüsse, die auf dem rechten Auge blind sind. Informiert lieber euch und andere über alle Ausdrucksformen von Antisemitismus – egal ob in der Kunstszene, auf städtischen Bühnen oder auf Demonstrationszügen.
Gegen jeden Antisemitismus.

Beteiligt euch an Gegenprotesten am 28.05.23 und auch an anderen Tagen.

FLINTA* Demo zur Walpurgisnacht – Gegen Kapitalismus und Patriarchat – Unser Redebeitrag

Liebe Genoss*innen,
in unserem Redebeitrag wollen wir die Themen Antifa und Feminismus behandeln.

Zuerst einmal zum Antifaschismus: Antifaschismus steht für Haltung und Bewegung, die sich in Theorie und Praxis gegen jegliche faschistische Gestalt von Gesellschaft wendet. Antifaschismus stellt nicht nur Erklärungen zu einer emanzipatorischen Gesellschaft bereit. Antifa bekämpft extrem rechte Strukturen mit all ihren Ursachen und Erscheinungen – und zwar auch mit Mitteln der Gewalt.
Ja, wir sind überzeugt, dass sich der Faschismus nicht allein mit antifaschistischer Öffentlichkeitsarbeit bekämpfen lässt. In militanten Aktionen und Einschüchterungsmanövern gegen Nazis sehen wir eine Notwendigkeit. Doch dieser Teil antifaschistischer Arbeit ist häufig männlich dominiert, denn hier wird erwartet, schlagfertig, aggressiv und “stabil” zu sein. Alles, was gesellschaftlich Männern zugeschrieben wird. So merken wir regelmäßig: Damit verbundene sexistische Zuschreibungen der Gesellschaft machen auch keinen Halt an der Tür zum AZ.

Gewalt und Einschüchterung sind für die Bekämpfung unserer Feinde zweifellos relevant. In den eigenen Strukturen haben sie jedoch nichts zu suchen. Trotzdem beobachten wir immer wieder, dass eine Glorifizierung von dem stattfindet, was eigentlich überwunden werden soll: nämlich Mackertum und Dominanzverhalten. Und auch wenn antifaschistische Strukturen gesellschaftliche Produktions- und somit Machtverhältnisse überwinden wollen, werden diese mal wissentlich, mal unbewusst immer weiter reproduziert. Um dem entgegenzuwirken gibt es bereits gängige Praxen: Einige Gruppen haben Frauenquoten eingeführt, auf den meisten Partys schaffen es Männer mittlerweile sogar angezogen zu bleiben und nur ab und zu jemanden sexuell zu belästigen. Und falls das doch nicht klappt, wird sich hinterher feierlich zur kritischen Selbstreflexion der eigenen Männlichkeit bekannt. Was genau das heißen soll, bleibt meist diffus. Praktische Konsequenzen für übergriffiges Verhalten gegenüber den Genoss*innen sind, wenn überhaupt transparent formuliert, eher selten von Dauer. Irgendwann würde es dann auch mal mit der Reflexion reichen. Außerdem wolle man ja handlungsfähig gegenüber dem politischen Gegner bleiben.

Wir erwarten sehr viel mehr von euch Antifa-Mackern! Es muss deutlich werden, dass jeden Tag feministischer Kampftag ist. Auch für euch! Misogynie ist in der Welt, in der wir leben, ein Teil der sogenannten Normalität. Und die Gewalt gegen FLINTAs, die daraus hervorgeht, hat viele Gesichter: häusliche Gewalt, Vergewaltigung, Menschenhandel, Zwangsprostitution, Genitalverstümmelung, Gewalt auf der Flucht, Femizid, Anti-Abtreibungsgesetze und vieles mehr. Diese Gewaltformen betreffen Körper und Psyche von allen Frauen, unabhängig von Klasse, Herkunft, Alter und eben auch unabhängig vom politischen Umfeld, egal wie progressiv dieses Umfeld vermeintlich ist. In unserem Umfeld, in unseren Antifa-Strukturen sollte nach Outcalls und anschließenden Ausschlüssen
nicht die Frage an erster Stelle stehen, wie der Täter möglichst schnell wieder in die eigene Struktur integriert werden kann, sondern wie unsere Gruppen, unsere Räume und unsere Strukturen uns – eure Genoss*innen – vor sexistischem Verhalten und sexualisierter Gewalt schützen können! Feministische Perspektiven sind für uns ein wesentlicher Bestandteil einer antifaschistischen Haltung und Gegenmacht. Für uns bedeutet Antifa immer auch Feminismus. Antifaschismus führt sich selbst ad absurdum, wenn Antifaschist*innen nicht alle Formen von Ungleichbehandlung bekämpfen. Lasst uns darum gemeinsam neben dem Faschismus immer auch gegen das Patriarchat kämpfen.

Keine Antifa ohne Feminismus, kein Feminismus ohne Antifa!

Unser Redebeitrag beim Gegenprotest „Gemeinsam gegen Ganser“ am 29.03.2023 in Offenbach

„Warum ist in der Ukraine ein Krieg ausgebrochen?“ Diese hochkomplexe Frage verspricht der selbsternannte Friedensforscher Daniele Ganser seinem Publikum heute Abend in der Stadthalle Offenbach zu beantworten. Auf seiner Tour durch  Österreich und Deutschland füllt er riesige Hallen bis auf den letzten Platz – und auch die Stadthalle ist heute ausverkauft.
Die Antwort, die Ganser auf die selbst gestellte Frage gibt, ist einfach: Für den Krieg in der Ukraine sind die USA und Nato verantwortlich. Ob er über ausreichend Expertise verfügt, um derart über den Krieg in der Ukraine sprechen und auch urteilen zu können – danach fragen seine Zuhörer*innen vermutlich nicht. Ganser ist weder Osteuropaexperte noch Politikwissenschaftler, er spricht weder Russisch noch Ukrainisch.

Überzeugend für sein Publikum, bestehend aus Impfgegner*innen, Corona-Leugner*innen und sogenannten Querdenker*innen bis hin zu Verschwörungsgläubigen, sind vor allem seine anti-amerikanische Haltung und seine platte System- und Medienkritik. In der Vergangenheit griff Ganser bereits verschiedene Verschwörungserzählungen auf – insbesondere zum 11. September 2001 – und stellte sie als von Wissenschaftler*innen noch zu prüfende Erklärungsansätze dar. Im Kontext des Ukrainekriegs fordert er nun, dass russische Propaganda-Sender wie Russia Today bzw. RT DE als unabhängige und vertrauenswürdige Quellen betrachtet werden. Diese Sender bieten seit geraumer Zeit auch immer wieder Akteur*innen der extremen Rechten aus Deutschland und Österreich eine Plattform. Gansers Aussagen zum Krieg in der Ukraine sind insgesamt einseitig: sie drehen sich um die NATO und einen angeblichen Putsch durch die USA in der Ukraine bei den Maidanprotesten 2014 und Ganser verharmlost damit das, was seit dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 eben genau dort passiert. 

Gansers Argumentationsmuster kennen wir aber schon von zahlreichen Verschwörungsgläubigen: er liefert einfache Antworten auf komplexe Sachverhalte und banalisiert diese dazu durch Binsenweisheiten. Der Informationswert seiner Veranstaltungen ist gering, der Unterhaltungswert allerdings, wenn man den Verkaufszahlen der Eintrittskarten glauben mag, groß. Und das ist die Gefahr: Verschwörungserzählungen sind keine privaten Spinnereien oder persönliche falsche Wahrnehmungen, sondern Einfallstor in die Welt der menschenverachtenden Ideologien. Das wird am Beispiel von Ganser quasi wie im Bilderbuch deutlich: in seinen Verschwörungserzählungen und seinem Anti-Amerikanismus unter dem Deckmantel vermeintlicher Friedensforschung verwendet er letztlich antisemitische Bilder. Auch ist Ganser ein Fan davon, geimpfte und ungeimpfte Menschen im Kontext der Corona-Pandemie sowohl mit Nazis als auch mit Jüdinnen*Juden zu vergleichen. Gehts noch? Dass Ganser ausgerechnet in der Stadt Offenbach, in der es immer wieder zu antisemitischen Vorfällen und Holocaust-Relativierungen kommt, eine Bühne bekommt, ist mehr als beschämend. Da kann der Oberbürgermeister noch so oft betonen, dass Zitat: „Rechter Hass und Hetze in keiner Form in unsere Stadt gehören“ – so geschehen im November 2021, als in der Offenbacher Innenstadt vermehrt antisemitische und extrem rechte Graffitis und Sticker aufgetaucht sind. Diese Graffitis und Sticker verbreiteten nämlich exakt die gleiche Message, wie es Ganser heute tun wird. Wenn die Stadt Offenbach dann aber, nicht einmal zwei Jahre später, einem Antisemiten wie Daniele Ganser unter dem Hinweis auf Meinungsfreiheit eine Bühne bietet und dadurch tausende Verschwörungsgläubige nach Offenbach pilgern, ist das mehr als ein schwaches Lippenbekenntnis. Es ist ein gefährliches und fatales Zeichen!

Wir unterstützen deshalb das „Bündnis gegen Verschwörung und Antisemitismus“ heute hier in Offenbach in ihrem Protest gegen Daniele Ganser! Weil wir der Ansicht sind, dass gefährlichen Verschwörungserzählungen, die sich häufig antisemitischen Bildern bedienen, eben keine Bühne geboten werden darf! Denn wer, wie Ganser, bei der Ermordung von sechs Millionen Jüdinnen*Juden im Kontext des Zweiten Weltkrieges von einem „lokalen Wahnsinn“ redet, der relativiert und bagatellisiert die Schoa massiv. Dass Daniele Ganser ein antisemitischer Verschwörungsideologe ist, steht für uns außer Frage. Das Problem bei seinen Veranstaltungen sind darüber hinaus aber auch all die Leute, die den Antisemitismus in seinen Ausschweifungen nicht erkennen wollen. Oder aber dies tun und ihn trotzdem oder genau deshalb unterstützen.

Wird es viele Leute erreichen, die Ganser mit seiner Rhetorik anspricht, wenn wir heute zusammen hier vor der Stadthalle in Offenbach stehen und unsere Kritik äußern? Vielleicht nicht. Aber wir tun es trotzdem und zeigen klare Kante – im Vergleich zur Verwaltung der Stadt Offenbach, die es unter fadenscheinigen Gründen versäumt hat, diese Veranstaltung abzusagen und damit Verschwörungserzählungen und Schoa-Relativierungen eben keine Bühne in Offenbach zu bieten! Denn: Nicht alle äußern ihren Antisemitismus, ihren Hass auf Jüdinnen*Juden so verschlüsselt, wie Ganser es tut. Wir aber stehen hier gegen jeden Antisemitismus – egal ob in Offenbach oder sonstwo!

Redebeitrag zur feministischen und antifaschistischen Demonstration „Fundis fahrt zu Hölle“ am 26.02.23 vom OAT Frankfurt

Liebe Genoss*innen!

Wir haben es satt. Alle Jahre wieder versammeln sich die öffentlichkeitsfreudigen Auswüchse des reaktionären und regressiven fundamentalistischen Milieus vor ProFamilia und greifen Schwangere verbal und körperlich an, um diese davon abzuhalten, sich einer Beratung zu unterziehen. Diese Angriffe und allein schon die öffentliche Präsenz der Fundamentalist*innen sind grausamer Alltag vor Beratungsstellen oder den sowieso schon viel zu wenigen Kliniken und Praxen, die Abtreibungen durchführen.
Und egal wie lebensnah und menschenfreundlich sich die Fundamentalist*innen geben – sie sind eine klare Bedrohung für die sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen. Parallel dazu ächten sie alle Menschen, die sich nicht zur heterosexuellen, patriarchalen Kleinfamilie mit Mutter am Herd bekehren lassen wollen.

Diese Bedrohung beginnt nicht erst, wenn sich jene Gestalten in den kommenden Wochen wieder vermehrt auf der Straße vor ProFamilia tummeln. Die Bedrohung entsteht bereits viel früher: in ihren Gemeinden, im Gottesdienst oder zu Hause, wenn sie ihre menschenfeindliche und insbesondere antifeministische Weltanschauung in die Köpfe anderer verfrachten und sich in ihren kruden Ansichten gegenseitig beweihräuchern. Und das geschieht nicht erst seit gestern, sondern hat Kontinuität… Schließlich stellt der Antifeminismus schon immer eine regressive Abwehrreaktion auf Entwicklungen des Kapitalismus dar.

Fundamentalismus lässt sich in den meisten Zusammenhängen als eine, auf religiöse Traditionen zurückgreifende Gegenbewegung zur Moderne begreifen. Als im 20. Jahrhundert gewisse Traditionen, insbesondere religiöse Praktiken, aufzubrechen begannen, formierte sich ebendieser Fundamentalismus in bestimmten Gemeinden, um zu längst überholten und noch rückschrittlicheren Ansichten zurückzukehren.
Diesen Rückschritt sehen wir klar und deutlich, wenn Frauen in ein vermeintlich gottgegebenes Rollenbild gedrängt werden und an tradierten Geschlechterrollen festgehalten wird. Frauen wird jeder Individualismus und jede Selbstbestimmung abgesprochen. Sie seien dafür geschaffen, reproduktive Arbeit als gottgegebene Arbeit, frohen Mutes zu verrichten und möglichst viele Kinder in die Welt zu setzen. Fundamentalismus geht dabei Hand in Hand mit völkischer Ideologie, die den Körper von Frauen für den Erhalt der Nation beansprucht. In seinem Rückzug auf veraltete Weltannschauungen sind fundamentalistische Strömungen zudem anchlussfähig für verschiedene antisemitische Erscheinungsformen. Hinzu kommen die Verstrickungen mit der politischen Rechten, die nicht nur hinsichtlich des Frauen- und Familienbilds ähnliche Ziele verfolgt. Sie alle stehen im kompletten Widerspruch zu emanzipatorischen Bestrebungen. Geeint sind all diese Ideologien und Bestrebungen jedoch durch ihren widerwärtigen Antifeminismus.

Nahezu uneingeschränkt können es sich die Akteur*innen der Menschenfeinde in ihren bürgerlichen Nestern bequem machen. Sie fühlen sich pudelwohl. Gehen ihren Jobs als Pfarrer nach, arbeiten unbeirrt in ihren vermeintlich gemeinnützigen Vereinen oder können sich ohne Unbehagen in ihrer Nachbar*innenschaft bewegen. Jedoch gibt es dank recherchefreudiger Genoss*innen weitreichend Bilder, Namen und Adressen zu den jeweiligen Fratzen.

Lasst also unsere antifaschistische Arbeit nicht auf dem Plenum enden. Um dieser frauenfeindlichen Großwetterlage zu begegnen, ist eine feministische und antifaschistische Religionskritik auf der Höhe der Zeit vonnöten.

Lasst uns den Fundamentalist*innen zeigen, dass es in Frankfurt, Hessen, der ganzen Welt, und weder im Himmel noch der Hölle einen Platz für sie und ihre reaktionären Einstellungen gibt.
Wir warten nicht auf das Paradies nach dem Tod.
Her mit dem Paradies auf Erden!
Her mit der Selbstbestimmung! Für das Recht auf legale, sichere und kostenfreie Abtreibungen!

Für eine antifaschistische feministische Praxis.

Offener Brief von LOS! Solidarisch Offenbach gegen den Auftritt von Daniele Ganser in der Stadthalle Offenbach

Daniele Ganser soll am 29.3.23 in der Stadthalle Offenbach auftreten. Wir fragen die Verantwortlichen der Stadtwerke Offenbach: Warum gebt ihr Erzählern von Verschwörungen mit implizit antisemitischen Bezügen eine Bühne?

LOS! Offenbach solidarisch haben einen offenen Brief geschrieben, den wir unterstützen.

Hier zwei Auszüge aus dem Brief:

„Am Anfang […] stand die Relativierung des […] 11. September […]. Weiter unterfüttert Ganser sein Verschwörungsgebilde mit kruden Theorien zur Außenpolitik der USA […] im Nahen Osten. Seine vermeintliche Kritik trägt dabei […] antisemitische Bezüge“

„Ganser hielt nie […] Mindestabstand zu Querdenker*innen […]. So war er […] Unterzeichner des Neuen Krefelder Appells […]. Sein Vokabular, dass eine Nähe zwischen Ungeimpften und Verfolgten des NS-Regimes aufmacht, […] verhöhnt die […] Opfer der NS-Gewaltherrschaft“

Den ganzen Brief findet ihr unter: https://offenbachsolidarisch.blackblogs.org/2023/02/01/offener-brief-stadthalle-of/

Achtung Antisemitismus Alarm

Am 22.10.2022 findet in Frankfurt der dritte „Million March“ statt, der von zentralen Personen aus der Szene der Corona-Leugner*innen wie Markus Haintz, Alexander Ehrlich, Thomas Brauner und Wolfang Kochanek organisiert wird. Die ersten beiden Demos unter dem Motto „Million March“ fanden mit 50.000 Teilnehmenden in Brüssel und mit 5.000 in Frankfurt statt. Auch dieses Mal wird wieder europaweit mobilisiert und es könnte – ja nach pandemischer Lage – wieder einmal eine größe Veranstaltung werden.

Wir alle wissen, dass es sich bei diesen Versammlungen um ein Zusammenkommen von antisemitischen, rassistischen, antifeministischen und natürlich antiemanzipatorischen Arschlöchern handelt. Trotzdem möchten wir in diesem kurzen Text kurz auf drei exemplarische antisemitische Vorfälle des letzten „Million March“ aufmerksam machen, auch um zu zeigen, dass sich dagegen auf die Straße zu bewegen leider immer noch ziemlich notwendig ist. Beginnen möchten wir mit Michael Schele, einem Hochzeits-DJ und zentraler Akteur der Szene aus NRW (mit einer wirklich trashigen Homepage, kurzer Besuch zur Belustigung zu empfehlen). Möglicherweise qualifizierte ihn diese Tätigkeit auch zur Mitfahrt und Moderation im Lautsprecherwagen. In dieser Funktion fragte er am Startpunkt der Demo, ob jemand von der „Judenpresse“ da sei und gab über die Lautsprecheranlage kundt, dass er bereit für ein Interview sei. Die FR, die darüber berichtete, konnte darauf offensichtlich gut verzichten.

Neben dem antisemitischen Plattendreher Schele trat auch Inga Lemke aus dem Umfeld der sogenannten „Freedom Parade“ und der widerlichen Clique um den als „Captain Future“ verkleideten Michael Bründel mit explizitem Antisemitismus in Erscheinung. So trug die Berlinerin, die auf der Veranstaltung zudem mutmaßlich als Ordnerin fungierte, ein Schild mit der Aufschrift „FCK RTHSCHLD“ mit sich herum und hielt es grinsend in eine Vielzahl der anwesenden Kameras. Mit dem Schild wird auf eine Jahrhunderte alte Verschwörungstheorie angespielt, derzufolge die jüdische Familie Rothschild die Welt und alle zentralen historischen Ereignisse steuert. In diesem Fall wohl auch die Corona-Pandemie.

Als letzten beispielhaften antisemitischen Vorfall möchten wir einen Post von Alexander Ehrlich heranziehen, einem Protagonisten der Szene in Österreich und Mitorganisator der Demo in Frankfurt. Unter der Überschrift „Friede, Freiheit, Selbstbestimmung“ schrieb Ehrlich auf seinem Telegram-Kanal, dass die Demo in Frankfurt eine „klare Ansage an das #Kapital“ sei und dass er die „#Zinsknechtschaft“ überwinden wolle. Ehrlich spielt hier auf eine alte und oft mit antisemitischen Stereotypen verbundene Vorstellung an, dass lediglich der Zins beim Verleihen von Geld für die Übel des Kapitalismus verantwortlich sei. Auch im Nationalsozialismus war die Vorstellung vorherrschend, dass es ein gutes und produktives industrielles Kapital und ein schlechtes und unproduktives Finanzkapital gäbe. Letzteres wurde mit Jüdinnen*Juden assoziiert. Buzzwords wie „Zinsknechtschaft“ nehmen auf diesen antisemitischen Topos explizit Bezug. Verantwortlich für den ganzen Mist ist das Kapitalverhältnis, der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit und nicht die Existenz von Zinsen.

Unserer Auffassung nach benötigt es diese Beispiele nicht, um zu belegen, dass es sich bei dem „Million March“ um eine Zusammenrottung von Menschenfeind*innen verschiedener Couleur handelt, die allem, wofür wir als emanzipatorische radikale Linke streiten, unversöhnlich gegenüberstehen. Dennoch erachten wir es als notwendig, sich auch nach über zwei Jahren Pandemie und damit zusammenhängend Protest von rechts, mit diesen Versammlungen auseinanderzusetzen. Antisemitische, rassistische und antifeministische Zusammenkünfte sollten wir uns radikale Linke im Sinne einer befreiten Gesellschaft immer entgegenstellen. Wir rufen dazu auf, sich an Aktionen und Protesten gegen diesen antiemanzipatorischen Aufmarsch, der am 22.10. hier in Frankfurt stattfinden wird, zu beteiligen. Haltet Augen und Ohren offen und achtet auf Ankündigungen.

Keine Antifa ohne Feminismus – Unser Redebeitrag zum internationalen Frauenkampftag

Liebe Genoss:innen,

in unserem Redebeitrag wollen wir die Themen Antifa und Feminismus behandeln.
Zuerst einmal zum Antifaschismus: Antifaschismus steht für Haltung und Bewegung, die sich in Theorie und Praxis gegen jegliche faschistische Gestalt von Gesellschaft wendet. Antifaschismus stellt nicht nur Erklärungen zu einer emanzipatorischen Gesellschaft bereit. Er bekämpft extrem rechte Strukturen mit all ihren Ursachen und Erscheinungen – auch mit Mitteln der Gewalt.

Auch wir gehen davon aus, dass sich Nazis nicht allein mit antifaschistischer Pressearbeit bekämpfen lassen. In militanten Aktionen, Einschüchterungsmanövern, sowie der Deutungshoheit gegenüber Nazis sehen wir eine Notwendigkeit. Dieser Teil der Antifa Arbeit ist häufig männlich dominiert: Männlich sozialisierten Personen wird zugeschrieben wehrhaft, schlagfertig, aggressiv und “stabil” zu sein. Zumindest werden diese Attribute eher mit männlichen als mit weiblichen Personen assoziiert. Sie verweisen auf gesellschaftlich sexistische Zuschreibungen.

Gewalt und Einschüchterung sind für die Feindbekämfpung zwar relevant. In den eigenen Strukturen haben sie jedoch nichts zu suchen. Immer wieder beobachten wir, dass eine Glorifizierung von dem stattfindet, was eigentlich überwunden werden soll: Nämlich Mackertum und Dominanzverhalten. Wir ziehen es vor sich auf Augenhöhe zu begegnen. Antifaschismus funktioniert nicht ohne die Bekämpfung jeglicher Form von Ungleichheit. Auch wenn antifaschistische Strukturen gesellschaftliche Produktions- und somit Machtverhältnisse überwinden wollen, werden diese wissentlich immer weiter reproduziert. Um dem entgegen zu wirken gibt es bereits gängige Praxen: Einige Gruppen haben die Frauenquoten eingeführt, auf den meisten Partys schaffen es Männer mittlerweile sogar angezogen zu bleiben und nur ab und zu jemanden sexuell zu belästigen.

Hiermit hat sich das Potenzial zu kritischer Männlichkeit leider noch nicht erschöpft. – Wir erwarten sehr viel mehr von euch Antifa-Mackern! Es muss deutlich werden, dass jeden Tag feministischer Kampftag ist. Feministische Perspektiven sind für uns inhärenter Teil der antifaschisten Idee und Gegenmacht. Für uns bedeutet Antifa immer auch Feminismus. Lasst uns darum gemeinsam Kämpfen gegen Faschismus und Patriarchat.

Wir fordern: Keine Antifa ohne Feminismus, kein Feminismus ohne Antifa

Solidarität mit allen Frauen*

Gestern. Heute. Morgen? Demonstration in Zwickau anlässlich des 10. Jahrestages der Selbstenttarnung des NSU

Seit nunmehr 10 Jahren haben wir die Gewissheit, dass Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık und Halit Yozgat dem mörderischen Rassismus des NSU zum Opfer fielen. Auch die Polizistin Michèle Kiesewetter wurde durch die Rechtsterrorist*innen getötet.

Erfolgsgeschichte NSU?

Nun ist es 10 Jahre her, dass Mundlos und Böhnhardt sich am 04.11.2011 nach einem gescheiterten Banküberfall erschossen und Zschäpe anschließend ihre Wohnung in Brand setzte, tagelang durch die Republik irrte und sich schließlich selber den Behörden stellte. Ermöglicht wurde das jahrelange Morden durch ein breit gefächertes Helfer*innen-Netzwerk, dessen Mitglieder weitestgehend bis heute unbehelligt agieren können. Das sich der NSU selbstenttarnen konnte, ist kein Zufall: Durch das jahrelange Verdrängen, Verharmlosen und Unterstützen rechter Strukturen, konnte der NSU entstehen und gedeihen. Während bereits im Sommer 2006 Angehörige und migrantische Communities auf Großdemonstrationen in Kassel und Dortmund forderten „9 Opfer – Wir wollen kein 10. Opfer. Stoppt die Mörder“, konzentrierten sich Strafverfolgungsbehörden, Medien und Gesellschaft darauf eine Täter–Opfer-Umkehr zu betreiben und die Angehörigen und Überlebenden zu drangsalieren. Auch die radikale Linke hatte diesem Narrativ nicht wahrnehmbar etwas entgegenzusetzen und scheiterte selbst daran, die rassistischen Motive zu erkennen.

Aus dem NSU nichts gelernt – Rechtsterrorismus heute

Das Oktoberfestattentat, der antisemitische Doppelmord in Erlangen, der rassistische Brandanschlag in der Hamburger Halskestraße, die Pogrome von Rostock-Lichtenhagen, Mannheim-Schönau und Hoyerswerda und die rassistischen Brandanschläge bsp. in Mölln, Sollingen und Lübeck sind Teil der Geschichte rechten Terrors und seiner verdrängten Kontinuität. Der NSU reiht sich in diese lange Tradition ein und lässt sich ohne diese nicht verstehen: Die rassistische Mobilmachung der Nachwendejahre, das Erstarken rechter Strukturen in Ost und West und die fehlende Strafverfolgung rechter Gewalt der 90er Jahre vermittelte den Täter*innen die Sicherheit, als Vollstreckende des Volkswillens legitimiert zur Tat schreiten zu können. Rechter Terror ist längst Normalzustand und eng verwoben mit der Geschichte Deutschlands seit 1945. Er zeigte sich besonders deutlich in den vergangenen Jahren: Hanau 2020, Halle 2019, der Mord an Walter Lübcke 2019, der Anschlag auf das OEZ in München 2016 und mehrere hundert Todesopfer rechter Gewalt nach 1990, sind die drastischste Konsequenz des rassistischen Normalzustandes. Die Liste ließe sich erweitern um den NSU 2.0, die Gruppe Freital oder die fast täglich neuen Meldungen über das Auffliegen rechtsterroristischer Gruppen und Strukturen in Polizei und Militär. Die Kontinuitäten rechten Terrors in Deutschland zeigen auch den Fortbestand des Zusammenspiels der Sicherheitsbehörden mit rechten Netzwerken auf. In Zwickau bilden sich zudem seit Monaten bedrohliche rechte Strukturen, welche ein hohes Gefahrenpotenzial bergen, sodass man sich die Frage stellen muss: Wie lange wird es noch dauern, bis in Zwickau oder anderswo ein erneuter Fall von Rechtsterrorismus ans Licht kommt?

Zwickau – Stadt des Vergessens / Biotop für RechtsterroristInnen

In Zwickau, der Stadt, in welcher der NSU jahrelang unbehelligt und bestens integriert wohnen und das Morden planen und umsetzen konnte, wird sich bis heute gegen eine konsequente Aufklärung der Taten und die Aufarbeitung der Rolle der Stadt in Bezug auf den NSU gestellt. Ein würdiges Gedenken muss diese Kontinuität von rechtem Terror und Gewalt in den Blick nehmen und Konsequenzen daraus ziehen. Gesellschaftlich initiierte Forderungen von antifaschistischen Gruppen und anderen Initiativen nach einem Dokumentationszentrum werden durch die Verwaltung abgelehnt, das Schaffen einer halben Personalstelle, um sich mit der Aufarbeitung zu befassen, wurde durch den zuständigen Haupt- und Verwaltungsausschuss verweigert. Dabei wohnen Personen aus dem Unterstützer*innen-Netzwerk, wie beispielsweise André Eminger, noch heute in Zwickau und Umgebung. Abseits von kleinen Aktivist*innengruppen findet Gedenkarbeit in Zwickau nicht statt. Lieber möchte man hier vergessen und den Makel des NSU-Bezuges, auf den kritisches Gedenken hinweist, vom Image der „weltoffenen Stadt„ wegpolieren. 

Erinnern heißt Kämpfen – Aufklären und einmischen! „Lückenlose Aufklärung“ ist weder in Zwickau noch anderswo in Deutschland von Behörden oder Staat zu erwarten. Es liegt an uns. Warum gehen wir am 06. November auf die Straße? Wir wollen eine Gesellschaft, in der Neonazis nicht ungehindert  Menschen ermorden können. Wir wollen erinnern – erinnern an das was geschehen ist, an das was verschwiegen wird, an die Ursachen und Folgen diesen Terrors. Die Taten des NSU dürfen nicht vergessen werden. Die Ermordeten dürfen nicht vergessen werden. Wir rufen die Menschen der Stadt Zwickau auf, sich mit der Kontinuität rechten Terrors in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld zu beschäftigen. Eine Stadt, in der das einzige in 10 Jahren sichtbare Gedenken ein von Neonazis abgesägter Gedenkbaum für die Opfer des NSU war, sollte alles daran setzen, endlich eine lebendige und kontinuierliche Gedenkkultur aufzubauen und zu pflegen. Wir fordern dass Angehörige und von Rassismus betroffene Menschen endlich als „Hauptzeug*innen des Geschehens“ wahrgenommen werden, nicht als bloße Statist*innen. Wir rufen die Stadt Zwickau dazu auf, sich endlich aktiv mit ihrem stetigen Neonaziproblem auseinanderzusetzen. Rechte Strukturen, die in hier und in der Region seit jeher Bestand haben, sollen benannt und bekämpft werden – nicht ignoriert oder gar integriert. Aus aktuellstem Anlass: Weder in Zwickau noch anderswo dürfen heute die Täter von morgen in rechtsterrorfreundlichen Biotopen heranwachsen. Und wir fordern eine lückenlose Aufklärung des NSU-Komplexes! Um Rechtsterrorismus zu bekämpfen, gilt es das NSU-Umfeld komplett aufzuklären und immer noch aktive rechte Netzwerke zu identifizieren und zerschlagen.

Samstag, 06.11.2021 – 14 Uhr Zwickau – #zwickau0611

10 Jahre Utøya & Oslo, 5 Jahre München, 2 Jahre Wächtersbach – Redebeitrag vom 22.7.2021

Liebe Genoss:innen,

Wir sind heute hier, um den 77 Opfern des Doppelanschlags in Oslo und auf der Insel Utøya, den neun Opfern den Anschlages von München sowie den zahlreichen weiteren Opfern rechten Terrors zu gedenken. Außerdem wollen wir auch daran erinnern, dass heute vor zwei Jahren im hessischen Wächtersbach ein rassistisch motivierter Mordversuch auf den heute 28-järigen Bilal M. verübt wurde. Der Familienvater überlebte nur dank einer Not-Operation schwer verletzt.

Der Täter des Doppelanschlags in Oslo und Utøya hat maßgeblich zur Herausbildung eines neuen Tätertypus beigetragen. Er sorgte online eigenständig auf verschiedenen Plattformen, u.a. sogenannten Imageboards, für die Verbreitung seiner Ideologie und erhält in (rechten) online communities Zuspruch und Bestätigung für sein menschenverachtendes Weltbild. Er hat zahlreiche Nachahmer inspiriert, darunter den Täter, der am 5. Jahrestag von Oslo/Utøya in München ebenfalls zur Waffe griff und gezielt neun migrantisch gelesene Menschen erschoss.

Der Täter von Oslo/Utøya formulierte erstmals die Idee, terroristische Anschläge per Internet-Livestream in die Öffentlichkeit zu übertragen, welche dann im Jahr 2019 im neuseeländischen Christchurch in die Tat umgesetzt wurde. Auch bei den Anschlägen in Halle, in Bærum in Norwegen und in Poway in den USA streamten die Täter ihre Tat nach der Idee von Breivik oder versuchten dies.

All diese Täter handelten während der Tat alleine und passen dadurch in das allgemein bekannte Narrativ des sogenannten Einzeltäters. Was jedoch oft nicht erkannt wird, ist die Taktik hinter diesen Taten. Die Strategie des sogenannten „einsamen Wolfes“ („lone wolf“) wurde erstmals durch amerikanische Vorbilder wie The Order verbreitet. Sie propagieren den Aufbau unabhängiger konspirativer Zellen für den sogenannten „führerlosen Widerstand“ („leaderless resistance“), die in vielen kleinen „einzeln“ agierenden Zellen aufgebaut und etabliert werden. Der Idee nach können so Rechtsterroristen losgelöst von Organisationen flexibel, autonom und unentdeckt handeln. Sie alle verfolgen dabei aber immer noch ein gemeinsames Ziel.

Von Seite der ermittelnden Behörden wird trotz dessen immer und immer wieder die These der vermeintlichen „Einzeltäter“ propagiert. Terroristen werden als verwirrte oder psychisch kranke Einzelfälle deklariert und damit von einem politischen, geschweige denn gar einem rechten Motiv oftmals schon wenigen Stunden nach den Anschlägen freigesprochen.

In den letzten Jahren zeigte sich nach Anschlägen wie denen in Utøya, München, Halle, Wächtersbach und Hanau immer wieder, dass die sogenannten Sicherheitsbehörden die Gefahren rechten Terrors konsequent herunterspielen. Egal ob im NSU-Komplex, rechten Chatgruppen, dem selbsternannten NSU 2.0 und extrem rechten Strukturen innerhalb des Polizeiapparats und SEKs.

Fälle wie der von Franco Albrecht oder die jüngsten Erkenntnisse zum Anschlag von Hanau, nach deren mehrere der inzwischen beurlaubten SEK-Mitglieder in der Tatnacht im Dienst waren zeigen erneut: Extrem rechte bzw. rechtsterroristische Umtriebe und neonazistische Aktivitäten werden nicht frühzeitig entdeckt und enttarnt. Die Häufigkeit mit der in den letzten Jahren immer wieder Netzwerke und/oder Chatgruppen innerhalb der Behörden auftauchen zeigt, dass es sich hier allerdings um eine Regel als um Ausnahmen handelt.

Die Aufklärung des rechtsterroristischen Anschlags in Hanau, bei dem zehn Menschen ermordet wurden zeigt auf, wie wenig Aufklärungswille von Seiten der Politik und des Staates es in Bezug auf rassistische Taten im Allgemeinen und politisches Versagen im besonderen gibt. Die Aufklärungs- und Erinnerungsarbeit liegt ganz bei den Überlebenden und Angehörigen des Anschlags, die als Initiative 19. Februar in Hanau und darüber hinaus für ihre Anliegen kämpfen müssen.

Daraus ergibt sich für uns die Notwendigkeit des konsequenten und kontinuierlichen antifaschistischen Kampfes gegen Neonazis, ihre Ideologie und die reaktionär-autoritären AkteurInnen, welche die von Neonazis ausgehende Gefahr leugnen und verharmlosen wollen. Nazis gehören nicht in Schützenvereine, sondern entwaffnet!

Unsere Gedanken sind heute bei den 69 ermordeten Personen auf Utøya und den acht getöteten Menschen des Bombenanschlags im Osloer Regierungsviertels und ihren Angehörigen. Unter den Überlebenden von Utøya gibt es eine Abmachung: Wer kann, dreht die Zeitungen am Kiosk um, damit die Anderen Breiviks Gesicht nicht sehen müssen. Unsere Gedanken sind auch bei den über 450 Überlebenden der Attentate.

Wir möchten unseren Redebeitrag daher mit einem Zitat von Sofie, einer von ihnen, beenden. In einer SMS schreibt sie an ihre Freundin Lejla, die am 22.07.2011 im Ferienlager der sozialdemokratischen Jugend ermordet wurde:

„»Ich mache es so, wie ich es dir versprochen habe. Ich lebe und genieße das Leben, so gut ich kann. Es ist hart, das ohne dich zu tun, aber ich hoffe, du siehst auf mich herunter und bist stolz auf mich.« 

(http://larafritzsche.de/das-leben-nach-dem-tod-in-utoya/)

Redebeitrag zu linkem Antisemitismus am 23. Mai in Frankfurt

Linker Antisemitismus klingt wie ein Widerspruch in sich. Das Bedürfnis, sich die Welt antisemitisch zu erklären, gehört zum Kern eines rechtsradikalen oder islamistischen Weltbildes, linke Weltbilder und Gruppen verschreiben sich dem Kampf für Freiheit und Gleichheit, was der Abwertung einer Menschengruppe entgegenstehen sollte.  Dass es leider nicht ganz so einfach ist, zeigt sich immer wieder auf erschreckende Art und Weise. Zum einen hier in Frankfurt im Oktober 2020, als es bei einer linken Demonstration unter dem  Motto „Moria Befreien“ zu antisemitischen Ausrufen wie „Yallah Intifada“ oder „Palestine will be free-from the River to the Sea“ kam. Es zeigt sich auch anhand Christine Buchholz, Offenbacher Abgeordnete der Linkspartei im Bundestag, die offen mit der Hamas und der Hisbollah sympatisiert, BDS unterstützt und Israel das Existenzrecht abspricht. Dass dies auch ein internationales Phänomen ist zeigt der ehemalige Chef der englischen Labour-Partei Jeremy Corbyn, der am Wochendene in London vor tausende vermeintlichen „pro-palästinensichen“ Demonstrant_innen sprach. Direkt vor ihm eine antisemitische Puppe die als Karikatur auch aus dem Stürmer hätte stammen können.


Die Geschichte des linken Antisemitismus ist leider lang. Es gab und gibt vor allem zwei Einfallstore für ihn: falscher Antikapitalismus und Antiimperialismus. So zeigte sich der Antisemitismus besonders im Frankfurter Häuserkampf gegen die Grundstücksspekulation der 1970er Jahre. Insbesondere der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Frankfurts, Ignatz Bubis, der an der Spekulation mit mehreren Grundstücken beteiligt war, stand als »jüdischer Kapitalist« in der Kritik, obwohl die Ursache für die Spekulation die Stadtentwicklungspolitik war. Für einen Teil der Protestbewegung und der öffentlichen Meinung war es attraktiv, einen konkreten Juden ins Visier zu nehmen, der die Rahmenbedingungen nutzte, statt die Stadtpolitik oder andere Spekulant_innen zu kritisieren. War die (außerparlamentarische) Linke der deutschen Nachkriegszeit zunächst eher israelsolidarisch, vollzog sich Mitte der 1960er mit dem Sechs-Tage-Krieg zwischen Israel und den arabischen Staaten Jordanien, Ägypten und Syrien eine „antizionistische Wende“. Die Funktion des israelischen Staates als Schutzraum vor Antisemitismus gerät mit der wachsenden Zustimmung zu antiimperialistischen und antizionistischen Positionen in den Hintergrund. Teilweise wird dabei so weit gegangen, Israel grundsätzlich das Existenzrecht abzusprechen. 1972 sprach Ulrike Mainhof, in ihrem Lob des antisemitischen Anschlags auf die israelische Olympiamannschaft in München von „Israels Nazifaschisten“ und warf der israelischen  Regierung vor, ihre Sportler „zu verheizen wie die Nazis die Juden.“ Als Antizionistin befindet Meinhof sich auch international betrachtet in prominenter Gesellschaft. So taucht auf vermeintlich emanzipatorischen Demos gegen Rassismus oder am internationalen Frauenkampftag auch immer wieder das Gesicht von Angela Davis auf Bannern auf, meist versehen mit dem Zitat: “Feminism will be anti-racist or it won’t be!” Davis, die sich in den 1980ern mit den Zusammenhängen rassistischer und sexistischer Diskriminierung und Kritik am us-amerikanischen Gefängnissystem beschäftigte, äußerte sich vor Allem in den letzten Jahren vermehrt zu Israel und Palästina. Dabei geht sie auch schon mal soweit, in ihren Plädoyers für BDS und Antizionismus zu behaupten, dass  “die Tentakel der zionistischen Lobby bis in die Schwarze Kirche” reichen. 


Häufig wird sich bei Kritik nur oberflächlich von Antisemitismus distanziert, gerne wird Kritiker_innen aber auch vorgeworfen vorschnell die Antisemitismuskeule zu schwingen. Eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Vorwürfe und den eigenen antisemitischen Ressentiments bleibt jedenfalls meist aus. Und so kommt es dann dazu, dass der positive Bezug auf eine Feministin, die antisemitische Verschwörungsideologien verbreitet und diese als postkolonialen Befreiungskampf verkauft, als unhinterfragte Ikone für einige Linke kein Problem zu sein scheint…
In Deutschland hat der linke Antisemitismus noch eine weitere Komponente: Er kann mitunter auch als Mittel zur Befreiung von der Präsenz der eigenen Geschichte und deren tiefergehender Aufarbeitung interpretiert werden. Die Kinder – und inzwischen auch Enkel_innen – der Täter_innen konnten ab dem Moment, in dem der jüdische Staat nicht mehr in der Position des underdogs war, ihren antifaschistischen Kampf als Kampf gegen diesen nachholen und damit das wiedergutmachen, was sie ihren Vorfahren immer vorwarfen: nicht Widerstand geleistet zu haben. Der Historiker Léon Poliakov bezeichnet das auch „ehrbaren Antisemitismus“. Im Sinne dieser Aussöhnung kann man dann manche dann auch schon mal eine islamistische Terrororganisation und ihre Bomben verharmlosen. Meist ist die vermeintliche Antisemitismuskeule eben doch so treffsicher wie eine Ohrfeige von Beate Klarsfeld.
Aus all diesen Beobachtungen folgt für uns: Gegen jeden Antisemitismus darf kein Lippenbekenntnis bleiben! Wenn wie aktuell jüdische Einrichtungen und Synagogen bedroht und angegriffen werden und Juden_Jüdinnen antisemitischen Übergriffen ausgesetzt sind, muss gehandelt werden. Der Kampf gegen Antisemitismus muss auch bedeuten, Antisemitismus und Antizionismus in den eigenen Reihen zu benennen, zu kritisieren und konsequent entgegen zu treten! Kein Platz für Verschwörungsdenken und regressive Kapitalismuskritik! Solidarität mit Israel!

Der Beitrag wurde am 23. Mai bei der Kundgebung mit anschließender Demonstration gegen Antisemitismus gehalten. Organisiert wurde die Veranstaltung von WomenAgainstRacismAntisemitism.